1. Quartalsbericht vom Berni und dazu noch ein paar bunte Bilder.

Januar 31, 2007 um 9:39 pm | Veröffentlicht in Monatsberichte | Hinterlasse einen Kommentar
  1. Quartalsbericht von Bernie Wienk-Borgert

Blau. Die dominierende Farbe, die den jungen Mann umgab, war Blau. Das Wasser des Meeres, dass vollkommen klar zu sein schien und an dessen Grund sich Steine, Algen und Sand abwechselten strahlte ihm Azurblau entgegen. Der Himmel tat das seinige und zeigte sich von seiner Besten Seite. Sonne und Blau. Der junge Mann wirkte fast berauscht und staunte nur wortlos und andächtig über die Szenerie. Hier also, wo in der Ferne am Horizont Himmel und Meer ineinander liefen und wo abends die Sonne bilderbuchreif im glänzendem Spiegel aus Wasser versank, sollte er für ein Jahr sein Lager aufschlagen und seinen Zivildienst ableisten. Ein Lächeln huschte über sein Gesicht und er versuchte die Situation mit allen erlebten Urlaubssituationen zu vergleichen. Aber es gelang ihm nicht. Vielmehr kam er zur Einsicht, dass jeder Ort für sich einmalig ist. Alle sind irgendwie anders und alle werden mit Erlebnissen und Gefühlen verbunden die immer unterschiedlich sind.

„Platsch!“. Aus seinen Gedanken gerissen bemerkte der Junge Mann, dass sein Freund und Kollege schon wieder einmal schneller im Wasser war, als er sich umziehen konnte. Und da er mit Meerwasser, egal bei welchen Temperaturen, eh schon immer seine Anfangsprobleme hatte, verlor er den Gedankenfetzen an alte Zeiten und sprang ebenfalls in die halbsmannshohen Wellen des Mittelmeers.

So oder so ähnlich spielte sich eine der vielen „Ins-Meer-Gehen-Situationen“ ab, die ich Anfang Oktober bis Ende Dezember noch erleben konnte. Und nun nach knapp mehr als 4 Monaten Sanary-Erfahrung steht ein weiterer Bericht über mein Leben hier an. Seit dem letztem Mal, als ich in die Computertasten haute, ist viel passiert und viele schöne aber auch frustriende Momente sind erhalten geblieben.

Es ist nun endgültig „Winter“ hier an der Mittelmeerküste. Nur das man das Wort Winter hier eher mit einem Frühling oder Spätherbst in Deutschland vergleichen könnte. Die aktuellen Auswirkungen der globalen Klimaerwärmung mal rausgerechnet. Und doch hinterlässt diese Jahreszeit in Sanary ihre Spuren:

Jede zweite Bar oder Restaurant ist geschlossen, Geschäfte schließen für ganze Monate und überall werden neue Baustellen eröffnet. Kitschige, aus dem amerikanischem abgekupferte Weihnachtsdeko wird in der ganzen Stadt verteilt und in den Vorweihnachtsabenden gleicht Sanary eher einem blinkendem und in allen Farben leuchtendem Las Vegas. Selbst die Kirche wird zum „Kunstobjekt“ und muss als Fassade für projizierte Engelsbilder dienen.

Im Centre Azur, meiner Arbeitstätte spiegelt sich diese Jahreszeit dadurch wieder, dass immer weniger Gruppen zum übernachten kommen und wenn dann, es meistens Yoga- oder Ärztegruppen sind, die sowieso regelmäßig kommen. Der überwiegende Teil der Arbeit im Winter oblag dem Service für Tagesgruppen, darunter auch deutsche Partnerschaftsgruppen und dem Arbeiten im Garten. Für Abwechslung sorgten dann aber die oft stattfindenden Weihnachtsfeiern, Geburtstage und Hochzeiten, bei denen man zwar bis zwei oder drei Uhr morgens arbeiten musste, es aber doch immer recht lustig zuging.

Insgesamt betrachtet hat diese Jahreszeit aber auch ihre guten Seiten, denn ich kann nun, soweit es mein Arbeitsplan zulässt, mit einer Gruppe von Rentnern in der näheren und auch in der weiteren Umgebung wandern gehen. So lerne ich einerseits die Gegend hier kennen und andererseits komme ich mit den Menschen in Kontakt und kann mich sehr angeregt unterhalten. Und die Orte an denen gewandert wird, waren bisher einfach unglaublich schön und intensiv. Sowohl Klippen, die dann abrupt steil abfallen ins Wasser, als auch ebene vom Waldbrand verödete Landschaften hab ich so schon kennen gelernt.

Das Verhältnis zum weiterem Personal des Centre wurde und wird in den letzten Monaten immer besser. Sowohl Francois, der Chef und „Mitdarsteller“ meines letzten Berichts, als auch seine Frau Funny sind sehr nette und fürsorgliche Menschen. Mit Ihnen kann man über Probleme reden und man versucht dann gemeinsam eine Lösung zu finden.

Bestes Beispiel hierfür ist die Schlacht um Urlaub:

Jeder trägt seine Wünsche vor und man versucht gemeinsam zu organisieren. Und wenn es zum Wunschdatum nicht funktioniert, dann wird eine Ausweichmöglichkeit gesucht.

Das einzige Problem was ich mit ihm hab, ist, dass seine Arbeitsaufgaben oft nach Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen aussehen und teils wirklich unlogisch oder sinnlos sind. Dann aber wiederum ist er auch nicht sauer, wenn man eineinhalb Stunden früher aufhört als vorgesehen.

Mit Laurent dem Küchenchef verstehe ich mich eindeutig am Besten. Zwar ist er immer ein bisschen hektisch und sehr fordernd, aber er versteht Spaß und ist nach Francois die große Stütze im Centre. Ich durfte auch schon als einziger Zivi aktiv ins Kochen mit eingreifen und die Kuchen für die Gäste backen. Und schließlich war es Laurent, der mit Francois schon vorab über unseren Urlaub an Weihnachten redete und ihn auch dazu überredete.

Zum Verhältnis mit allen anderen kann ich nur sagen, dass wir immer mehr zusammenwachsen und jeder seine Probleme mit allen teilt. Ich will nicht sagen, dass wir eine Familie sind, denn dafür war die Zeit zu kurz, aber ich möchte behaupten dass wir doch ein gutes Team sind, auf das man sich im Ernstfall stets verlassen kann.

Die größte „Neuerung“ die mich hier in Sanary ereilte kam dann am 1. Dezember 2006. Tasja, eine 29-jährige Sonderschullehrerin aus Karlsruhe (mein Gott ist die Welt klein) verbringt acht Monate Praktikum im Centre Azur und wir müssen uns seitdem unser MAS zu dritt teilen.

Tasja ist eine von der Sorte, die älter denkt und meint sie wär schon Mitte 40. Sprich sie gibt gern ihr Wissen über Koch und Putzkünste weiter und über ihre sehr weitläufige Verwandtschaft. Ich war anfangs nicht sehr positiv angetan von ihr, denn ihre erste „große Tat“ war es unseren schlampigen, unordentlichen aber eben lebbaren Haushalt umzukrempeln und einen Putzplan, schwarz-weißer Ausdruck für bedingungslose Unterwürfigkeit gegenüber dem weiblichem Perfektionismusbewusstseins, aufzustellen der seitdem akribisch eingehalten werden muss. Mittlerweile bin ich aber zur Einsicht erlangt, dass eine saubere und ordentliche Wohnung sehr viel zum Klima und Wohlbefinden beitragen kann.

Das Ansehen Tasjas stieg also von Tag zu Tag und heute ist sie eine sehr nette, gesprächige und fröhliche Mitbewohnerin, die uns oft animiert mal aus dem Loch rauszukommen und die Umgebung zu entdecken.

Von was ich seitdem ich hier bin, sehr stark profitieren konnte, ist die durch unseren Chef gegebene Möglichkeit Freunde und Freundin so oft kommen zu lassen wie wir wollen. Vorausgesetzt wir halten uns an gewisse Spielregelen.

Dadurch hat mich meine Freundin schon 3 Male hier besucht und seitdem es die günstige Verbindung mit dem Flugzeug nach Marseille gibt, werden bestimmt noch einige Male folgen. Und alle Besuche von ihr waren in ihrer Form einzigartig. Nicht jeder gleich lang aber alle wunderschön. Hab viel mit Ihr zusammen erlebt und Nizza, meiner Ansicht nach die schönste Stadt Südfrankreichs, haben wir auch unsicher gemacht. Ich merke jedes Mal wie wichtig diese Besuche für mich sind. Ohne sie würde ich das hier echt nicht schaffen.

Und es ist schön zu wissen, dass eine Beziehung auch über 900 Kilometer hinweg hält und halten wird.

Zum Glück gab’s ja auch noch die Zeit über Weihnachten, in der ich nach langer Diskussion zuhause sein durfte. Und ich muss sagen, dass das wirklich richtig gut tat in seinem altem Milieu zu sein und in seinem altem Leben mit all den Freunden und Verwandten. Noch nie hab ich diese Zeit so intensiv gefühlt und genossen.

Doch der Abschied kam schneller als gedacht und Silvester war dann wieder arbeiten an der Tagesordnung.

Unterbrochen von einer weiteren vom Chef „gezwungenen aber doch lohnenswerten“ Urlaubspause in Deutschland verläuft mein Leben in Sanary seitdem wie obig beschrieben.

Im März findet das obligatorische Zwischenseminar in Kassel statt, zu dem sich wieder alle Zivis aus Europa treffen um ihre Erfahrungen und ihre Erkenntnisse auszutauschen. Abgesehen davon dass es in Kassel ist, freue ich mich schon richtig darauf, denn unsere kleine Gruppe ist ein sehr lustiger und stimmender Haufen.

So liebe Freunde des guten und detaillierten Erfahrungsberichtes, ich habe versucht euch einen 360° Rundumeinblick in mein jetziges Dasein zu liefern. Und so möchte ich abschließend nur noch erwähnen, dass es mir insgesamt betrachtet mit meiner Situation doch sehr gut geht. Klar denk ich oft an Zuhause und wünsch mir ich wäre lieber da als hier, aber ich freu mich auf Zeiten in denen ich mehr Arbeit hab und in denen ich am Strand rumhängen kann. Und immerhin sind schon fast 6 Monate wie im Fluge vergangen.

Was allerdings wiederum bedeutet dass schon bald wieder der nächste Quartalsbericht (oder doch Halbjahresbericht) ansteht. So genau weiß ich allerdings nie Bescheid. Freut euch auf die nächsten schwarzen Buchstaben auf Papier und auf die nächste Folge von:

 „Der kleine Zivi von nebenan und seine Abenteuer in Frankreich“.

Genießt noch einen schönen Restwinter und schickt ein bisschen Schnee hier runter. Das wäre mal lustig.

A toute à l’heure

Bernhard



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